1. Im Keuschlerhaus
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Ich wuchs mit meinen sechs Geschwistern, vier Jungen und zwei Mädchen, in Kärnten, St. Jakob im Rosental, auf. Ich war der Jüngste. Meine Halbschwester Cilli kam erst später dazu. Wir lebten im alten Keuschlerhaus meiner Oma, ganz in der Nähe des Waldes. Das Haus war in den Hügel hineingebaut. Ein wenig Grund mit einem kleinen Gemüsegarten und eine Wiese mit drei Obstbäumen umsäumte das Haus.
Meine Mutter Katharina heiratete schon mit 17 Jahren meinen Vater Peter. Dass die Töchter selbst ihren Mann aussuchen durften, war damals nur selten möglich. Meistens bestimmten das die Eltern. Die Mutter von Katharina starb jedoch schon bei ihrer Geburt und so wuchs meine Mutter bei der Oma auf. Sie suchte auch den Mann für Katharina aus. In meinem Vater, der bei der Eisenbahn arbeitete, sah sie einen Ehepartner mit gesicherter Zukunft. Und am 21. Oktober 1921 heiratete meine Mutter meinen, um sechs Jahre älteren, Vater. Sie zogen ins Keuschlerhaus zur Oma und so entstand die große Familie Mikula.
Ein Keuschler ist jemand, der zum Haus noch etwas Grund besitzt und der im Stall eine Kuh oder ein Schwein hatte. Mit dieser kleinen Landwirtschaft und dem Lohn des Vaters, kamen wir so recht und schlecht durch. Als jedoch mein Vater 1932 mit 35 Jahren bei einem Bahnunfall starb, wurde meine Mutter mit 26 Jahren Witwe.
Für uns Kinder war die Welt der Geborgenheit und des Glücks vorbei. Mein Vater hatte nur 8 Jahre beim Verschub gearbeitet und der Arbeitsunfall wurde bei der Bahn nicht anerkannt, weil sein Tod scheinbar noch von was Anderem herrührte. Meine Mutter bekam keinen Groschen Pension und auch kein Unfallgeld.
Es waren damals harte Zeiten für uns. Unsere Familie wurde sich selbst überlassen. Wenn meine Mutter nicht die kleine Landwirtschaft gehabt hätte, die sie nun ganz allein mit uns sechs Kindern bearbeiten musste, wären wir wohl alle verwahrlost und verhungert.
Ich war ca. eineinhalb Jahre alt als mein Vater starb. Um die Familie durchzubekommen und unsere Mutter zu entlasten, mussten wir Kinder alle mitarbeiten. Abwechselnd, je zwei Stunden am Vormittag und zwei Stunden am Nachmittag, mussten wir unsere Kuh entlang des Feldweges weiden führen. Das gestatteten die Bauern den armen Keuschlern. 50 cm auf beiden Seiten des Feldweges durften die Kühe das Gras abzuweiden.
Bild: Das Hochzeitsbild (3.10.1921) von meiner Mutter Katharina Romauch (1903 - 1959) und meinem Vater Peter Mikula (1897 - 1932) Meine Mutter war 17 Jahre jung, mein Vater 23 Jahre. Gemeinsam hatten meine Eltern sechs Kinder. Meine Mutter wurde mit 26 Jahren Witwe. Meine siebte Schwester Cilli kam später noch dazu.
© Kurt Mikula 2019-08-01
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