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#revolution#krieg#versteck

3. Das Ungeheuer

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3. Das Ungeheuer | story.one

Meine Mutter lernte ihren neuen Lebensgefährten Hane kennen. Hane musste 1941 in den Krieg ziehen und kam 1942 mit schwereren Verwundungen wieder zurück. Er hatte einen Bruder namens Otto, der während des Zweiten Weltkrieges eine Bank in Deutschland überfiel und zu zehn Jahren Konzentrationslager verurteilt wurde. Er war Kommunist.

Eines Tages kam der Postenkommandant zu uns ins Haus. Er informierte meine Mutter und Hane, dass Otto aus dem KZ geflohen sei. Es wurden zwar Suchhunde und die Hitlers SS auf ihn angesetzt, doch man fand nie seine Leiche. "Es könnte sein", sagte der Gendarm, "dass er um das Lager angelegte Sumpfgebiet durchkam, und noch lebt. Eventuell würde er versuchen", so vermutete er, "zu Fuß nach Österreich zu kommen, um hier bei den Angehörigen unterzutauchen." Aber der Gendarm selbst glaubte auch, dass Otto tot sei, weil man auf ihn sehr viel geschossen hat. Das Hitlerregime hatte Otto zum Tode verurteilt, falls er doch einmal auftauchen sollte. Das war im Kriegsjahr 1944.

Eines Tages ging ich in die Scheune, um Streue für die Kuh zu holen. Als ich mit der Gabel hineinstach, kam daraus plötzlich ein schwarzer Kopf hervor und ein Mann stand auf. Ich schrie und wollte davonlaufen. Doch schon hielt mich dieses Ungeheuer fest: "Junge, sei bitte still, ich bin der Bruder vom Hane, der Otto, den man sucht." Ich glaube, meine Hose war voll. Ich zitterte am ganzen Leib.

"Hol mir deine Mutter und meinen Bruder hierher. Ich bin nämlich am linken Fuß steif und sehr hungrig." Meine Mutter und Hane kamen und ich hörte alles mit. Sie flehten Otto an: "Du kannst nicht hierbleiben. Du wurdest zum Tode verurteilt. Jeder der dir Unterschlupf gibt wird erschossen. Du kannst doch nicht die Kinder und uns in Gefahr bringen. Die Hitler-Gendarmen waren schon da und fragten nach dir, für den Fall, dass du noch lebst. Bitte, bitte", sagte nochmals meine Mutter, "verstecke dich nicht bei uns. Geh zu den Partisanen, bist eh a Kommunist." "Ja, ja", sagte der Otto, "ich gehe, sobald ich mich etwas erholt habe." Doch er ging nicht aus dem Haus. Im Dachgeschoss war ein halbfertiges Zimmer mit Türe zum Balkon. Dort versteckte ihn sein Bruder.

Von hier aus machte er, trotz seines steifen Fußes, Partisanen-Raubzüge und schrieb für die Kommunisten. Meine Mutter lebte während dieser Zeit in Angst um uns. Sie wusste genau, wenn sie ihn bei uns finden, werden wir alle erschossen. Einmal sagte sie zu uns Kindern: "Wenn die Gendarmen ihn hier verhaften, dann müsst ihr sofort in den Wald rennen und euch verstecken. Denn in den Wald gehen die Gendarmen nicht hinein, weil sie Angst vor den Partisanen haben. Und so werdet wenigstens ihr nicht erschossen." Einmal hörte ich meine Mutter: "Ich erschieße den Otto, wenn er nicht endlich sein Versteck bei uns aufgibt." Auch sein Bruder drohte an ihn zu erschießen, weil er uns alle in Gefahr brachte. Otto verschwand daraufhin eine Zeit lang, kam aber immer wieder zurück. Wir alle lebten in großer Angst.

© Kurt Mikula 2019-08-30

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