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#vater#sohn#matura

Das hat er nicht von mir!

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Das hat er nicht von mir! | story.one

Mein Sohn Tobias war immer schon ein selbständiges Bürschchen. Mit 12 Jahren hütete er schon alleine das Haus. Er wollte partout nicht mit in unseren Kroatienurlaub. Ab 14 unterschrieb er seine Tests alle selbst. Ich sah nur mehr die Abschlusszeugnisse. Immer "Ausgezeichneter Erfolg". Das hat er nicht von mir.

Ab der siebten Klasse Gym sah ich ihn nur noch mit einem kleinen durchsichtigen Nylonsäckchen in die Schule gehen. Da waren seine Stifte drin. Hausaufgaben machte er anscheinend in der Schule vor Ort. Einmal traf ich zufällig den Klassenvorstand. "Gehts dem Tobi eh gut?" "Äh, warum?" "Ich seh ihn so selten in der Schule."

Nach einem väterlichen Gespräch mit meinem Sohn erfuhr ich, dass er jetzt Schulsprecherstellvertreter war. Und sein bester Freund war Schulsprecher. Und in dieser Funktion hatten die beiden Robin Hood´s eine Menge zu tun. Mal da eine Sitzung, mal dort eine wichtige Versammlung. Sie waren dauernd unterwegs.

Parallel zur Matura machte Tobias den Führerschein. Vor der Fahrprüfung war er total aufgeregt. "Hoffentlich regnet es an diesem Tag." Denn dann, so hoffte er, sind keine Fahrradfahrer unterwegs. Die kann man nämlich im Seitenspiegel übersehen. Und dann fällt man durch.

Am Tag vor der Führerscheinprüfung hatte er die mündliche Matura. Davon erfuhr ich zufällig. Während der Maturaprüfung wartete ich schon ungeduldig im Auto auf ihn. Darum fragte ich einen Professor, der gerade zur Tür herauskam, ob er wisse, ob Tobias schon fertig sei. "Sind sie der Vater?" Ich nickte. "Den hatte ich gerade bei der Prüfung. Genial", sagte er "ihr Sohn, einfach genial!" Das hat er nicht von mir.

Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften wollte Tobias nach Thailand. Um sich die Reise zu finanzieren googelte er nach einer Idee, wie man Geld verdienen kann. Und das hat er auch gemacht. Im zweiten Monat verdiente er schon mehr als ich als Religionslehrer. Er schrieb nämlich, ich sags ganz leise - erotische Romane. Das hat er nicht von mir. Die konnte man über Amazon als digitale Bücher kaufen und waren anscheinend heiß begehrt. "Lass mich auch was von dir lesen", bat ich. "Du sicher nicht, Papa." Er hatte drei Pseudonyme. Ich kenne bis heute keine einzige Zeile seiner Geschichten. Mit dem Schreiben hat er aufgehört. Amazon hat den Gewinn um die Hälfte gekürzt und seine Leidenschaft war´s auch nicht.

Über das Internet hat er sich dann beigebracht, wie man Homepages macht. Er hat gleich mehrere Themenseiten erstellt und eine Firma gegründet. Mittlerweile beschäftigt er acht Mitarbeiter, die für ihn schreiben. Zurzeit lernt er über das Internet programmieren. Er möchte irgendwann eine coole App entwickeln. Seit kurzen ist er auch Durian-Plantagenbesitzer. Auch "Stinkefrucht" genannt, die Lieblingsfrucht der Thailänder.

Ich bin mächtig stolz auf meinen Sohn. Der ist so kreativ. Ich glaub, dass hat er von mir.

Bild: Meine Tochter Lea und ich, bei Tobi und seiner Freundin Nine in Thailand.

© Kurt Mikula 2019-07-24

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