Der Schinder
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Er schuf es mit seinen eigenen Händen. Und er war stolz darauf. Mein Vater erzählte mir immer wieder, so eindringlich, als ob es gestern gewesen wäre, wie er unser Haus baute:
„Ich begann mit der Eigenproduktion der Mauerziegel. Die gebrauchte Mauerziegelfertigungsmaschine kaufte ich um Schilling 800,-. Jeder Ziegel musste auf einem Brett gefertigt und dann zum Trocknen auf die Wiese gelegt werden. Nach zwei Tagen konnte ich die Ziegel aufstapeln. In der ganzen Gegend sammelte ich Holzkisten, um die Ziegelunterbretter genau anzufertigen. Das war viel Arbeit. Ich machte für den Keller Betonziegel und für das Erd- und Obergeschoss Schlackenziegel, die eine bessere Isolierung gaben. Auch die halben Zwischenwandziegel machte ich selber. Bei den Mauerziegeln ersparte ich viel Geld.
Nebenbei organisierte ich in Kärnten das Holz für den Dachstuhl. Für eine Schreibmaschine, die er dringend benötigte, gab mir der Bauer Gereinig, das Holz für den Dachstuhl. Natürlich war das Holz mehr wert. Da ich schon als kleiner Bub bei ihm arbeitete, war er ein bisschen großzügiger. Der Sägewerkbesitzer und mein Kärntner Nachbar, der Schuster Ferdl, brachten den ganzen Dachstuhl zum Sägewerk nach Lustenau. Dort wurde das Holz sortiert und gehobelt. Der Plan für das Haus hatte ich inzwischen auch schon fertig. Bald darauf bekam ich die Baubewilligung. Jetzt begann ich mit dem Kelleraushub. Das machte ich alleine mit dem Schubkarren. Ich war einfach ein Schinder, denn in eineinhalb Jahren wollte ich mit dem Hausbau soweit fertig sein, dass ich mit meiner Frau und meinen beiden kleinen Kindern, provisorisch einziehen konnte.
Mit einem LKW wurden die Mauerziegel von Lustenau nach Hard gebracht. Hier half mir ein Freund. In Hard mussten wir wieder die Ziegel abladen und schlichten. Die Arbeit war schwer. Gott sei Dank war ich in den besten Jahren. Ich mauerte das ganze Haus alleine auf.
Sogar alle Fensterstürze betonierte ich alleine. Es war an einem Samstag. Ich war am Bau, schalte die Fensterstürze ein und begann zu betonieren. Es fing an zu regnen und ich hatte einen 4 m langen Fenstersturz in Arbeit. Den Sturz musste ich trotz starkem Regen fertig machen. Der Regen rann mir den Hals hinunter. Der Beton zerrann fast und das sah der Baumeister Frener, der mit seinen Arbeitern gerade das Nachbarhaus machte. Er schüttelte nur den Kopf, als er mich so arbeiten sah und schrie zu mir herüber: "Herr Mikula, wir kommen!" Er schickte seine Arbeiter zu mir und in einer halben Stunde waren die Stürze betoniert. Ich war zu Tränen gerührt."
Mein Vater ist mit dem Haus gerade noch rechtzeitig fertig geworden. Ich bin pünktlich, während des Einzuges auf die Welt gekommen.
Bild: Mai 1962. Meine Eltern und meine beiden Brüder vor dem Haus. Der untere Stock ist schon bewohnbar. Das Obergeschoss ist noch nicht ausgebaut. Ich kam gerade die Woche davor auf die Welt und schlafe im Haus.
© Kurt Mikula 2019-07-19
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