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#dalailama#starksein#mutigsein

Gedanken eines „Teebeutel“-Lehrers

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Gedanken eines „Teebeutel“-Lehrers | story.one

„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Für mich die treffendste Kurzformel für Religion. Achtsamkeit, Verständnis, Wohlwollen, Freundlichkeit, Güte und Mitgefühl. Mit mir selbst, mit meinen Mitmenschen und mit der Natur. Eigentlich ganz einfach. Könnte man meinen.

Doch alle Religionen bergen auch ein gewisses Gewaltpotential in sich. Denn alleiniger Wahrheitsanspruch schließt andere aus.

Deshalb teile ich die Ansicht vom Dalai Lama, wenn er sagt: „Ethik ist wichtiger als Religion. Ethik ist das Wasser, das wir alle zum Leben brauchen. Religion ist der Teebeutel.“ Der gibt dem Ganzen noch eine besondere Nuance. Ich bin sozusagen ein „Teebeutel“-Lehrer mit Geschmack „katholisch“.

Hauptsächlich koche ich im Religionsunterricht mit Wasser, sprich: Ethik. Er enthält aber noch weitere katholische Zutaten und bekommt so seine ganz besondere Geschmacksnote, die ihn noch gehaltvoller und nachhaltiger macht. So, dass meine Schüler mehr davon möchten. Die Zutat „Zwangsohrenbeichte“ hielt sich jahrelang im Sortiment unserer Schule. Die ist Gott-sei-Dank aussortiert worden. Ich fand sie Zeit meines Religionslehrerdaseins für übergriffig. Ein ehrliches „Es tut mir leid“ war mir immer lieber.

Ich bin kein Gewohnheitskirchgänger. Wenn ich in den Gottesdienst gehe, erwarte ich, dass ich glücklicher aus der Kirche rauskomme, als ich reingegangen bin. Logisch, oder? Genauso halte ich es auch mit der Gestaltung unserer Schulgottesdienste und religiösen Feiern. Sie sollen die Kinder mutig und stark machen. Mit Pippi Langstrumpfs Worten gesagt: „Lass dich nicht unterkriegen, sei frech, wild und wunderbar.“ Das ist auch der Grund, warum ich vor zwanzig Jahren begonnen habe, Lieder (nicht nur) für Kinder zu schreiben. „Seit wir deine Lieder singen, erleben unsere Gottesdienste eine Auferstehung“, schrieb eine Kollegin. Was mich sehr ehrt.

Das engagierte kirchliche Pfarrleben meiner Kindheit und Jugend hat mir starke Wurzeln gegeben. Sie halten mich bis heute. Nur, dass der Kirchenapparat so was von veränderungsresistent ist, damit habe ich nicht gerechnet. Nach meiner damaligen Einschätzung hätte der Zwangszölibat schon vor zehn Jahren fallen müssen. Da habe ich mich gewaltig verschätzt. Aber das ist auch nicht mein Problem.

Was mich zutiefst erschüttert und wütend macht, sind die vielen Missbrauchsskandale und der Versuch der Vertuschung. Es gibt ein Muster in der katholischen Kirche, immer nur das zuzugeben, was sich nicht mehr bestreiten lässt. Mein erster Impuls ist immer derselbe: Sofort austreten! Das ist aber auch nicht DIE Lösung.

Ich werde weiterhin für meine Schüler da sein, ihnen helfen, in ihre Kraft zu kommen und ihr Potenzial zu entwickeln und guten, gehaltvollen „Tee“ machen. Marke „Bergpredigt - extrastark!“ Zutaten: Stark sein, an sich glauben und nach vorne schauen.

© Kurt Mikula 2022-04-03

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