Im Keuschlerhaus
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Aus den Tagebuchaufzeichnungen meines Vaters: "Ich wuchs in meinem Elternhaus in St. Jakob im Rosental/Kärnten auf. Wir waren 6 Geschwister. 4 Buben und 2 Mädchen. Meine Halbschwester Cilli kam erst später dazu. Wir lebten in einem Keuschlerhaus, einem alten Haus von meiner Oma, ganz in der Nähe des Waldes. Zum Keuschlerhaus gehörte etwas Wald, ein paar Äcker und gerade soviel Wiesen, dass wir eine Kuh halten konnten. Das alte Haus war in den Hügel hineingebaut und nur wenig Grund und Wiese umsäumte dieses Haus. Auf dem kargen Boden wuchsen 3 Obstbäume und ein kleiner Gemüsegarten säumte den Waldesrand. Meine Mutter Katharina heiratete mit 17 Jahren meinen Vater Peter. Er war bei der Bahn beim Verschub tätig. Damals, um 1920, war es ganz selten, dass ein Mädchen mit 17 Jahren schon heiratete. Meine Mutter wuchs bei der Oma Schnitz (Hausname "Martha") auf. Es war nicht so, dass die Töchter selbst ihren Mann aussuchen konnten. Das war damals nur selten möglich. Meistens bestimmten die Eltern oder die Omas, wen die Tochter heiraten durfte. Und so war es auch bei meiner Mutter Katharina. Ihre Ziehoma sah in meinem Vater, durch seinen Beruf bei der Eisenbahn, einen sicheren Ehepartner. Und damit ja nichts versäumt wird, heiratete meine Mutter schon mit 17 Jahren, meinen um 6 Jahre älteren Vater. Er zog ins Keuschlerhaus der Oma ein und so entstand die große Familie Mikula in St. Jakob.
Ein Keuschler ist in Kärnten jemand, der zum Haus noch etwas Grund, wie kleine Äcker und etwas Wiese besitzt, und der im Stall eine oder zwei Kühe mit ein oder zwei Schweinen untergebracht hat. Mit dieser kleinen Landwirtschaft und dem Lohn des Vaters, kam die große Familie so recht und schlecht durch die Zeit von 1920 bis 1932. Als jedoch mein Vater mit 35 Jahren (1932) plötzlich durch einen Unfall bei der Bahn starb, war für meine Mutter und uns 6 Kinder die Welt der Geborgenheit und des kleinen Glücks nicht mehr da. Mein Vater hatte ja nur 8 Jahre bei der Bahn gearbeitet. Der Bahnunfall wurde bei der Bahn nicht anerkannt, weil der Vater weitergearbeitet hatte und der Tod scheinbar von was anderem herrührte.
So bekam meine Mutter keinen Groschen Pension und auch kein Unfallgeld. Die Familie wurde sich selber überlassen. Wenn meine Mutter nicht die kleine Landwirtschaft gehabt hätte, die sie nun ganz allein mit ihren 6 Kindern bearbeiten musste, wären wir wohl alle verwahrlost und verhungert. Ich war ca. 1 1/2 Jahre alt, als der Vater starb und der Jüngste in der Familie. Um die Familie durchzubekommen, die Mutter zu entlasten, mussten wir Kinder viel beitragen . So mussten wir alle abwechselnd vormittags und nachmittags je zwei Stunden die Kuh entlang des Feldweges zum Weiden führen. Diesen Weg gestatteten die Bauern den Keuschlern. 50 cm auf beiden Seiten des Feldweges durften die Kühe abweiden. Ich war sehr gern zu Hause und half meiner Mutter gerne bei der Arbeit."
Bild: Hochzeitbild von den Eltern meines Vaters, Katharina & Peter Mikula am 21.10.1921
© Kurt Mikula 2019-07-16
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