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#vollmond#selbstbestimmung#hängematte

Im Winter gibt es keine Mücken

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Im Winter gibt es keine Mücken | story.one

„Herzlich willkommen am nördlichsten Punkt Deutschlands!“, steht auf der Holztafel in der Sanddüne. Esther lacht mir mit zerzausten Haaren aus dem Handyfoto entgegen. Der kleine rot-weiß-rote Leuchtturm hinter ihr erinnert mich an die österreichische Flagge. „Flucht gelungen!“, denke ich mir. Insel Sylt. Weiter nördlich geht’s nicht mehr.

Jedes Jahr um diese Zeit überfällt Esther das unbändige Verlangen, dem Winter zu entkommen. Wir leben in einem Schattenloch in den Alpen. Der Schnee in unserem Garten hält sich alljährlich bis über Ostern. Gestern verfärbte der Saharastaub den Pinzgauer Himmel tief gelb. Heute haben sich die afrikanischen Staubpartikel als zartes Grau auf die weiße Schneedecke gelegt. Selbst dieses Südseefeeling kann Esthers Sehnsucht nach Wärme und Grün nicht stillen.

Ich liege in der Hängematte und schaue durch die blätterlosen Buchenstämme in den Vollmond. Vielleicht schaut Esther auch gerade nach oben zum Mond. Dann könnten sich unsere Blicke dort treffen. Das wäre schön. Neben mir rauscht das zwischen riesigen Felsbrocken aufgeschäumte Wildwasser der Teufelsschlucht. Die hatte der Teufel einst in einem Wutanfall über die ganze Gegend verstreut. Wenn ich mir nicht sicher wäre, dass ich gerade in Lofer an der Saalach liege, würde ich meinen, ich sei mitten im Grand Canyon.

Ich höre noch in Gedanken das Lied von Heinz Rühmann: „La-le-lu, nur der Mann im Mond schaut zu, wenn die kleinen Babys schlafen, drum schlaf auch du.“ Und schon fallen mir die Augen zu. Um 7.30 bin ich auch schon wieder bei der Arbeit.

Das war Nacht Nr. 3 meiner 12-Monats-Chellange „Nächte unterm Sternenhimmel!“ Es gibt nichts Schöneres für mich. Meine Komfortzone verlassen, mich einer Herausforderung stellen und daran wachsen!

Auch im Februar, mitten im tiefsten Winter. Biwak, Schlafsack und Hängematte hatte ich in einer regendichten Tasche auf dem Rodel festgezurrt. Abmarsch 18.00 Uhr, es war stockdunkel. Auto brauchte ich keines. Ich startete von daheim und zog den Rodel über die gefrorene Schneedecke hinter mir her. Um nicht einzubrechen, hatte ich mir Schneeschuhe angeschnallt. Meine Stirnlampe entdeckte bald eine Baumgruppe und schwuppdiwupp war meine Hängematte befestigt und ich lag auch schon gemütlich in ihr. Der Winter ist zum Übernachten im Freien fantastisch. Erstens verdecken keine Blätter die Sicht auf die Sterne und zweitens gibt es keine Mücken. Die können einem nämlich das Erlebnis ruinieren.

Ich blickte hinauf zu den Sternen, dachte wie immer ein bisschen nach und schon war ich weg. So bis zwei Uhr. Dann wurde ich abrupt wieder wach. Unerwartete Regentropfen klopften an meine Augenlider und formierten sich zum Dauerregen. Der Unterschied zwischen einer Katastrophe und einem Abenteuer ist die Einstellung. Also zog ich gelassen mein regendichtes Biwak zu und schlief dank der meditativen Regengeräusche sofort wieder ein. Wenn es warm und kuschelig ist, ist Regen wunderbar.

© Kurt Mikula 2022-03-19

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