Nix mit Reisen
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Das Leben ist so viel besser, wenn man eine Reise vor sich hat, auf die man sich freuen kann. Wie wahr. Und da habe ich schon ein Problem. Den Corona-Lockdown! Nix mit Reisen. Schön daheimbleiben.
Jetzt ist März. In unserem Vorgarten liegt noch eine Menge Schnee. Osterferien sind auch noch. Verlässlich wie das Amen im Gebet, überfällt mich alljährlich um diese Zeit die Sehnsucht nach Wärme, Weite und Abenteuer.
Meine Frau teilt diese Sehnsüchte mit mir. Seit über zwanzig Jahren kurven wir zu Ostern mit unserem Camper durch die Toskana, die Emilia-Romagna oder die ligurische Küste entlang. Wir folgten den Spuren des Franz von Assisi durch Umbrien und klapperten jedes unbefestigte Seitenstrasserl ab. Kurz gesagt, wir kennen dort jedes Pflanzerl und jeden Stein. Mit dem Frühstück am sonnendurchfluteten Marktplatz von Siena wird's dieses Jahr wohl nichts werden. Traurig, aber wahr. Der Mensch denkt, Corona lenkt.
Wenn du jetzt glaubst, ich bin deshalb total deprimiert, irrst du dich. Erstens weiß ich, das Leben ist zu kurz um ein langes Gesicht zu machen. Und zweitens habe ich wohlweislich vorgesorgt und mir eine Hängematte bestellt. Die habe ich gestern bekommen.
Eine Luxushängematte mit Überbreite. Mit ihr möchte ich heute eine kleine Abenteuerreise machen, unter Einhaltung aller Corona-Regeln. Lokal, regional und klimaneutral. Genauso wie unsere Biobauern.
Ich genieße die Aufregung des Aufbruchs. Mit dem Rucksack starte ich direkt von meiner Haustüre ins Abenteuer. Ich stakse ums Hauseck, überquere die Wohnstraße, biege scharf links ab, ziehe meine Spuren übers Schneefeld, gehe auf dem schwammigen Boden der gatschigen Sumpfwiese entlang, winde mich durchs Gestrüpp, vorbei an einigen kleinen Birken, hüpfe über einen schmalen Wassergraben und schwupps, bin ich schon in meinem Urlaubsparadies. Einem einsamen, uneinsehbaren Plätzchen mitten im wilden Moor. Ein guter Landeplatz für das Glück, keine vierhundert Meter von zu Hause entfernt.
Es ist warm. Die Sonne lacht mir ins Gesicht. Ich such mir zwei starke Bäume, um die Hängematte zu montieren. Kann ja nicht so schwer sein. Zwei breite Gurte befestige ich als Baumschoner. Daran klicke ich die Hängematte mit den Karabinern ein. Über die Hängematte spanne ich noch einen Regenschutz.
Bis das Ganze zu meiner Zufriedenheit verspannt ist, hat sich die Sonne schon verabschiedet und es wird empfindlich kalt. Ich schlüpfe liebend gern in meine kuschelige Residenz. Winterschlafsack habe ich keinen. Dafür aber zwei Sommerschlafsäcke ineinandergesteckt. Coole Idee! Die müssten den Zweck auch erfüllen, denk ich mir. Ich lausche der Nacht und schlafe zufrieden und glücklich ein. Bis zwei Uhr morgens. Mir ist saukalt. Es hat zwei Grad. Die Sommerschlafsäcke heißen nicht umsonst Sommerschlafsäcke. Ich ziehe mir noch die Daunenjacke über und kuschle mich noch tiefer ein.
Morgens weckt mich Vogelgezwitscher. Ich rufe laut: „Guten Morgen, schönes Leben!“
© Kurt Mikula 2021-04-12
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