Runter vom Sofa
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Ohne Übertreibung! Ich lebe im Paradies, inmitten einer herrlichen Bergwelt. Vor meinem Küchenfenster erhebt sich die „Schönste Wanderalm Österreichs“. Vom Garten aus blicke ich zum Rauchenberg mit der Wallfahrtskirche Maria Kirchental. Der schönste Platz Salzburgs. Ein Kraftplatz und Gewinner der Sendung „9 Plätze, 9 Schätze“. Und auf der gegenüberliegenden Talseite kann ich mit meinem geübten Auge das Iwonski-Hüttchen ausmachen. Hoch oben, am höchsten Punkt der fünfhundert Meter hohen Kienbergwand.
Ich bin also von Bergen umzingelt. Und die haben mich, als bekennenden Hängemattenschläfer, zu einem grandiosen Outdoorabenteuer inspiriert. Übernachten auf allen drei Hausbergen mit direktem Blick auf mein Zuhause. Heute ist die Iwonski-Hütte dran.
Ein Vorteil so einer Spontantour ist, du musst nicht lange vorbereiten. Du brauchst kein Auto, musst kein Zimmer buchen und du musst auch nicht auf deinen lang ersehnten Urlaub warten. Du kannst sofort losstarten.
Meine Sachen sind schnell gepackt. Ich marschiere den Flusslauf der Saalach entlang, durchwandere die Strowollner Schlucht, schnaufe mich über einen schmalen, steilen Pfad auf den Bergrücken und erreiche nach eineinhalb Stunden die kleine, exponierte Iwonski-Unterstands-Hütte auf 1150 Metern. Ein wundervoller Aussichtspunkt mit Panoramablick über das ganze Tal.
Es ist Ende April. Die Nächte sind noch erfrischend kühl, aber die Abende sind schon wieder länger hell. Ich befestige in gebührendem Abstand zum Abgrund meine Hängematte zwischen zwei Buchen und spanne mein Tarp darüber. Die beiden Dreieckzipfel vom Wetterschutz fixiere ich mit Heringen im weichen Waldboden. Inzwischen ist es dunkel geworden. Das Tal leuchtet wie ein Glühwürmchenschwarm und mein Zuhause mittendrin. Ich schaue ins Lichtermeer, bis mir irgendwann die Augen zufallen, was nicht lange dauert.
Irgendwann um Mitternacht herum erwache ich schlagartig. Gewaltige Sturmböen fahren unter die Zeltplane. Die Dreieckzipfel flattern elend im Wind und machen einen Höllenlärm. Schlecht gespannt. Ich verkrieche mich noch tiefer in meinen Schlafsack und warte, bis der Aufruhr der Elemente an mir vorüberzieht. Der Wind bringt auch noch die Kälte mit. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Der Sturm hält sich hartnäckig bis in die Morgenstunden.
Um fünf Uhr morgens ein gewaltiger Knall. Umklammert von einem seidenen Ungetüm, fahre ich aus meinem Halbschlaf. Es dauert eine Weile, bis ich die Situation checke. Ein Windstoß hat einen Hering aus dem Waldboden gerissen und das Tarp hat sich wie ein Kokon um mich gewickelt. Ich springe aus meiner Hängematte und halte fest, was ich festhalten kann. Stopfe Schlafsack, Hängematte und Tarp irgendwie in meinen Rucksack, noch bevor die Sturmböen meine Sachen über den Abhang wehen können.
Um acht Uhr bin ich wieder daheim und frühstücke zufrieden mit meiner Frau, als ob nichts gewesen wäre. „Wie war’s?“, fragt sie. „Fantastisch!“
© Kurt Mikula 2023-01-26
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