Soldat Kremmel meldet: Segelflugzeuge
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Diese Szene aus "Der Soldat James Ryan" vergisst niemand: Eng zusammengekauert sitzen die amerikanischen Soldaten in ihren Landungsbooten. Kurz vor dem Strand der Normandie klappt die Rampe herunter, aber als sie durch das Wasser nach vorn stĂŒrmen wollen, schlĂ€gt den Truppen ein Kugelhagel entgegen. Tak â Tak â Tak. Das typische GerĂ€usch des deutschen MG-42 â der sogenannten Hitler-SĂ€ge.
Im Abschnitt der Amerikaner, dem sogenannten Omaha-Beach, trafen die Ladungstruppen anders als in den anderen Abschnitten, bereits am Strand auf massiven Widerstand. Ich war 2017 dort. Gemeinsam mit meiner Frau, um an den StrĂ€nden in der Normandie nach Spuren meines GroĂvaters zu suchen.
Er war als Obergefreiter der Deutschen Wehrmacht am Atlantikwall stationiert. In unserem Stiegenaufgang hĂ€ngt das Familienbild aus dem Jahre 1941. Manchmal bleibe ich davor stehen und schau mir die Gesichter genau an. Mein GroĂvater Ernst hat einen sanften Blick, meine GroĂmutter lacht. Dazwischen ihre fĂŒnf kleinen Kinder. Meine Mutter sitzt auf seinem SchoĂ. Ein Papaschatzi.
Obergefreiter Ernst Kremmel hielt am D-Day, dem 6. Juni 1944, am Tag der Invasion, Nachtwache. Jahre spĂ€ter, nach seiner Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft, erzĂ€hlte Ernst, wie er damals in der Dunkelheit GerĂ€usche von Segelflugzeugen hörte, die Beobachtung seinem Vorgesetzten meldete und mit den Worten "Sie haben wohl einen Piepmatzâ abgekanzelt wurde.
Erst vor ein paar Jahren erfuhr ich ĂŒber eine Geneologiearbeit eines entfernten Verwandten, von der Kriegsgefangenschaft meines GroĂvaters in England, wo er zur Fabriksarbeit herangezogen wurde, von seiner Abschiebung in ein Gefangenenlager nach Frankreich, vom unertrĂ€glichem Hunger als stĂ€ndigen Begleiter: âIch war so abgemagert, dass mich der Bauer, an den ich vermittelt wurde, erst gar nicht nehmen wollte. Denn die landwirtschaftliche Arbeit war schwer. Mit dem bisschen Französisch, das ich konnte, bat ich ihn, es doch mit mir zu versuchen. Er fĂŒtterte mich erst einmal auf. Auf dem Hof konnte ich mein Wissen als gelernter LandschaftsgĂ€rtner einbringen. Ich pflegte und schnitt fachgerecht die ObstbĂ€ume des Bauern und spĂ€ter der ganzen Nachbarn. So gewann ich die Akzeptanz der Menschen und es entwickelte sich bald eine Freundschaft zu meinem Dienstgeber. Er hat mich nach der Kriegsgefangenschaft des Ăfteren in Vorarlberg besuchtâ.
Ich hÀtte gerne meine Mutter noch gefragt, warum sie mir zu ihren Lebzeiten, kein Sterbenswörtchen davon erzÀhlte.
Foto: Familienbild aus dem Jahre 1941. Meine GroĂeltern Hildegard und Ernst mit ihren fĂŒnf Kindern. Meine Mutter auf dem SchoĂ von ihrem Papa.
© Kurt Mikula 2019-09-09
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