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#elbe#radtour#leidenschaft

Von Salzburg an die Ostsee

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Von Salzburg an die Ostsee | story.one

Ich hatte mein Sabbaticaljahr. Und um einer Midlifecrisis vorzubeugen, beschloss ich sogleich, an die Ostsee zu radeln. Dank des Ratschlags einer Kollegin nahm ich - Gott sei Dank - nicht mein Siebengangfahrrad, sondern lieh mir das Mountainbike meines Sohnes.

Übermotiviert startete ich vor der Haustüre und fuhr gleich 130 Kilometer. Was ich sehr bereute. Nach dem ersten Tag hatte ich schon einen riesen bläuerle am Ar... und mein rechtes Knie stach wie verrückt. Meine Tagesetappen wurden sogleich bescheidener.

In Regensburg musste ich mich mal nachfragen, wie ich überhaupt an die Ostsee komme. Bin nämlich ohne Radkarte losgefahren. Ich bekam einen super Tipp: "Einfach immer den Flüssen entlang. Das ist zwar länger als der direkte Weg, aber dafür flach." Das habe ich auch gemacht. Ich fuhr die Saale entlang, die Elbe, die Havel, den Berliner Mauerradweg und dann den Berlin-Usedom-Radweg. Nur das "flach" hat nicht gestimmt.

In Mecklenburg hat mich in der Wildnis Dauerregen erwischt. 20 Uhr und der nächste Ort 30 Kilometer entfernt. Ja, haben die denn hier keine Heustadel wie in Österreich! Dann könnte ich im Trockenen übernachten. Aber hier gibt es nur elendslange Getreidefelder. Und für die braucht man keine Stadel. Ich fand dann doch noch im Nirgendwo ein überdachtes Wartehäuschen und legte mich im Schlafsack nieder. Doch ich war nicht allein. Am Morgen entdeckte ich die Schneckenschleimspur über meinem Schlafsack und das Schwalbennestchen über mir. Die Jungen schrien wie verrückt nach ihrem Frühstückchen.

Ich war neugierig auf Menschen und ihre Geschichten. Denen bin ich auch begegnet. Zum Beispiel Erika aus der ehemaligen DDR. Die wollte eigentlich Friseurin werden. Das brauchte man aber damals nicht. So wurde sie Melkerin und melkte seit dreißig Jahren jeden Tag vierhundert Kühe. Das tat sie als Alleinerzieherin, für ihre beiden Kinder. Hat mich sehr berührt.

Während des Radeln hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Da kam mir folgendes Gedicht in den Sinn:

Mancher schuftet Tag und Nacht bis ihn das Burnout,

oder so ein Herzinfarkt, aus den Fugen haut.

Der andre denkt nur an Karriere und ist völlig platt,

weil er erfährt, dass seine Frau längst einen andren hat.

Das Leben zieht so schnell vorbei und schon ist es geschehn,

dass mans übersehen hat, dann hat man ein Problem.

Manch Leidensgenosse kämpft gegen Midlifecrisis

und wie er ihr entkommen könnt, und denkt bei sich: "Jetzt weiß Ichs!"

Mit einem Masterplan trainiert er bis um Zehn,

wie ein Wilder, jeden Tag, für den Ironman.

Sein Spezi lächelt milde, hält sich für furchtbar schlau:

"Ich such mir doch stattdessen lieber eine jüngere Frau."

So sucht jeder irgendetwas, was ihn glücklich macht.

Ich habe für mich selber auch was ausgedacht.

Ich radle ohne Kompagnon von Salzburg bis nach Usedom.

Dort hüpf ich eins, zwei, drei, in die Ostsee nakedei.

Und falls ich nicht mehr radeln kann,

gibts immer noch die Deutsche Bundesbahn ;).

© Kurt Mikula 2019-07-24

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