Zersägt eure Doppelbetten
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Nein! Dies ist kein Aufruf der Tischlergewerkschaft. Dieser aussagekräftige Buchtitel soll lediglich dazu animieren, dass sich Paare des reiferen Alters wieder ihrer Eigenständigkeit bewusst werden und sich gezielt wieder ihre eigenen Freiräume schaffen.
In diesem reiferen Alter sind meine Frau und ich offenbar angekommen. Sie liest gern und lange ihre Liebesromane und braucht dazu Licht. Ich gehe gern früh schlafen, und hab‘s gern dunkel. Sie schläft gern lang und ich stehe morgens schon früh auf und mach dabei Lärm. Wie man sieht: Wir passen nicht zusammen.
Deshalb haben wir uns getrennt und unsere eigenen Reiche gegründet. Ich im ehemaligen gemeinsamen Schlafzimmer, sie im ehemaligen Kinderzimmer. Unsere neuen Domizile haben wir pipifein eingerichtet. Sie mit Kasten, Kommode und Bett, ganz edel im weißen Landhausstil. Ich alles in Buche. Mit einem 140-iger Bett schlafe ich darin wie ein Kaiser, beziehungsweise sie wie eine Göttin.
Um ehrlich zu sein, ich war am Anfang von dieser Ghettoisierung überhaupt nicht begeistert. Im Gegenteil! Ich befürchtete, dass unser Liebesleben dahintrocknet und die Blätter - du weißt schon, was ich meine - hängen lässt. Wie eine einst blühende Blume, die nicht mehr regelmäßig gegossen wird. Meine Befürchtungen haben sich jedoch nicht bewahrheitet. Immer wieder mal werde ich von meiner Frau eingeladen, um meinen Mann zu stehen. Das ist sehr aufregend! Wie damals, als wir uns kennenlernten.
Vor zwei Jahren habe ich mein Reich noch erweitert: Ich habe einen Außenposten installiert. Von meinem Schlafzimmerfenster aus kann ich direkt auf die Veranda meines Gartenhäuschens sehen. Dort habe ich ein altes Bettgestell aufgebaut. Und da schlafe ich seit 500 Nächten.
Im Herbst entspannt mich leise Regentropfenmusik und lässt meine unruhigen Gedanken in einen sanften Schlaf gleiten. Im Winter schaue ich den Schneeflocken beim Tanzen zu, wie sie in Zeitlupe herunterschweben und alle Geräusche in Watte packen. Und damit ich nach dem Mittagsschläfchen auch etwas zum Beobachten habe, habe ich gleich neben meinem Freiluftschlafplatz eine Bodenfutterstelle für Amseln und Rotkehlchen sowie ein Futterhäuschen für Spatzen und Meisen eingerichtet. Für diese gute Tat werde ich im Frühling mit fröhlichem Morgengezwitscher belohnt. Ansonsten besuchen mich noch, zwei laut schnaufende Igel, einige Schnecken, die versuchten über das Bettgestell zu mir ins Schlafgemach zu schleimen und Nachbarskatzen, die irritiert an mir vorbeiwandern.
Am eindrucksvollsten ist jedoch, wenn es blitzt, donnert und ganz laut kracht. So eine Blitzshow zieht mich richtig in ihren Bann. Ich zähle zwischen Blitz und Donner immer mit. Eins, zwei, drei… ein Kilometer!
Neulich fragte eine Bekannte: „Was sagt denn deine Frau dazu?“ „Na ja, die lädt mich hin und wieder zu sich ein. Wie früher, als wir noch nicht verheiratet waren.“ Aber habe ich das nicht schon mal erzählt?
© Kurt Mikula 2023-01-26
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