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#wien#gestank#ubahn

Der Duft der U6

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Der Duft der U6 | story.one

Warte! Geht's noch? Hm. Keine Ahnung. Lass mich kurz überlegen …

Ja, es geht noch! Das Kebap in der U6. Nein. Der Typ isst es nicht. Er sabbert durch die Maske und schaut sehnsüchtig auf sein Aluminiumbündel in der Hand. Da schlummert ein echt fettes Döner drunter. Nur Döner macht schöner. Denkt er sich das wirklich?

Bringt nichts, wenn man so ein stilsicheres weißes H&M Unterhemd trägt, das selbst mein Großvater nicht mehr tragen würde. Ich glaube, er kriegt auch gar nichts mit. Der selbstbewusste Macho mit den gegelten Haaren. Er trägt dicke fette Kopfhörer. In-Ear Headsets sind beim ihm wohl noch nicht angekommen. Die viel zu laute Musik schallt trotz der Kopfhörer durch den Waggon und duelliert sich — was Penetranz betrifft — mit seinem Kebabmief.

Ich mache einen tiefen Atemzug durch die Maske und stelle fest: vielleicht hilft sie gegen Coronaviren, aber eindeutig nicht gegen den legendären Gestank in der U6. Mittlerweile riecht meine Maske jetzt nach ein paar Stationen schon nach der ‘Mit Alles’-Körpergeruchsmischung. Das Eau de Kebab, eine Mischung aus Zwiebeln, Zigaretten, Schweiß und billigem Parfum. Wenn ich der U6 einen Geruch geben müsste, wäre es dieser. Jede Sekunde, die ich in dieser U-Bahn sitzen muss, ist untragbar und je länger ich die Umgebung wahrnehme, desto größer wird das beklemmende Gefühl in mir.

Ein kurzes Luftschnappen bei der offenen Türe rettet mich. Die Sonne blinzelt mir in die Augen, der Wind weht all das Banale weg. Ein riesiger Baum schüttelt seine Blätter und Zweige. Die Vögel zwitschern. Ein Traum. Es riecht nach frischer Luft! Genial. Obwohl ich inmitten Autoabgasen und einem alten Bahnhof bin, ist dies eine Luft, welche immer noch tragbarer ist, als die des Eau de Kebab.

Gerade konnte ich noch meinen Kopf einziehen, denn das ‘Einsteigen bitte!’ habe ich gar nicht mehr wahrgenommen. Zurück in der bitteren Realität versuche ich noch die letzten 3 Stationen zu überleben. Alle Menschen schauen betreten weg. Blickkontakt? Fehlanzeige. Jede und jeder versucht zu überleben. Die Fahrt. Den Gestank. Den Lärm. Einfach nur ankommen und dann ab in die Freiheit!

Schnell raus, jetzt oder nie.

© Lovisa 2021-05-14

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