Auf der Hut vorm Surfer Girl
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Tom und ich genossen unseren Surfurlaub in Florida in vollen ZĂŒgen. Jeden Tag gingen wir mehrmals zum Surfen ans Meer. Dabei verbrachten wir einen GroĂteil unserer Zeit mit dem Ritual des âPosingsâ. Wir schlurften mit unseren riesigen Surfbrettern unterm Arm, bewaffnet mit Neoprenanzug und Sex Wax zum Strand. Dort angekommen mussten wir uns erst einmal orientieren. Wir versuchten, einen Platz zu finden, an dem wir die anderen Surfer nicht allzu sehr beim Surfen störten. Diese Botschaft sandte uns das Unterbewusstsein. Unser Ego sagte, dass wir den Platz zum Surfen einfach brauchten, weil wir zwei so megacoole Surfer waren.
Als wir mit unserem Brett posierend durch unsere Sonnenbrillen auf den Horizont hinauslugten, entdeckten wir einen Surfer, der beneidenswert geschickt die Wellen abritt. Wir waren beeindruckt. Beim genaueren Hinsehen konnten wir erkennen, dass es sich dabei um eine Surferin samt Sonnenhut handelte. Wie sie es schaffte, den Sonnenhut trotz des starken Wellengangs am Kopf zu behalten, ist mir bis heute ein RĂ€tsel. Geschickt glitt das grazile Surfergirl auf den Wellen dahin, als ob diese fĂŒr sie nicht existierten. Ein schönes Bild. Kurz ĂŒberlegten wir, ob wir ihr am offenen Meer Gesellschaft leisten sollten. Das juvenile Ego sagte yes, das weise Unterbewusstsein no. Wir bewunderten sie weiter. Als sie nach ihrem Surfturn direkt an den Strand zurĂŒcksurfte, rutschen mir die Sonnenbrillen beinahe von der Nase. Das Surfergirl war eine rĂŒstige Ă€ltere Surf-Omi um die 70 mit geblumten Sonnenhut und Wasserschuhen. Sie grĂŒĂte uns freundlich. Wir nickten zurĂŒck und beschlossen, an diesem Tag nicht mehr surfen zu gehen. Nicht wegen der Surfseniorin, sondern einfach ⊠Àhm, weil die Wellen an diesem Tag einfach nicht perfekt fĂŒr uns waren.
Abends beschlossen wir auszugehen. Wir, die âAustrian Surfer Guysâ, wollten die einzige Bar, die es in der Gegend gab, unsicher machen. Gesagt, getan. Wir zogen unsere buntesten Hawaiihemden an und stolzierten, unseren Muskelkater ignorierend, in die âTropic Barâ. Dort angekommen wollten wir möglichst authentisch wirken. Wie echte Surfer eben. Wir bestellten einen Eristoff und platzierten uns lĂ€ssig neben der TanzflĂ€che. Dort unterhielten wir uns ĂŒber die vergangenen Erlebnisse. Es dauerte nicht lange, da gesellten sich drei Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts zu uns. Doch wir trauten unseren Augen nicht. Die drei Damen waren mindestens 30 Jahre Ă€lter als wir. Sie waren durch die fremde Sprache neugierig geworden und wollten wissen, woher wir kamen. Wir outeten uns als österreichische Surfer. Wir prahlten und erzĂ€hlten von unseren einmaligen, unvergleichlichen Erlebnissen in der wilden tosenden Brandung. Doch dann passierte es. Mein peinlich berĂŒhrtes Unterbewusstsein erkannte unter den netten Damen auch die surfende Pensionistin. Nur diesmal ohne Sonnenhut. Mein Eristoff getrĂ€nktes Ego wechselte schnell zum Thema Mozart und Sound of Music.
© Martin Buchgraber 2021-02-22
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