Maman Louise
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„Du kannst nicht dreieinhalb Monate von einem Müsliriegel und Vitaminpräparaten leben“, rede ich mir gut zu. Ich bin hungrig und auf der Suche nach einem Restaurant in Dakar. Gestern erst angekommen. Einen Müsliriegel habe ich noch. Ich spüre, wie mir der Schweiß am Rückgrat entlang läuft. Es ist schwül-heiß und ich bin nervös, denn meine Französischkenntnisse lassen sich nur als „très petit“ bezeichnen. Wolof, das die meisten „Dakarois“ sprechen oder zumindest verstehen, kann ich schon gar nicht.
Ich komme an Greißlereien, hier Boutiquen genannt, vorbei. An einer Boulangerie. Am Stadion, an dessen Mauern kleine Läden kleben, Schwalbennestern gleich: Eine „Bijouterie Africa“. Ein “Coiffeur Africa”. Ein Laden, der sich „Schengen“ nennt und Rucksäcke anbietet. Besen, Neonröhren, Schuhe. Ein Kiosk verströmt den Duft gegrillter Hühner. Darauf habe ich keinen Appetit.
Die Avenue du Président Habib Bourguiba ist asphaltiert, die Gehsteige, so vorhanden, sandig. Am Straßenrand schäumen junge Männer hingebungsvoll schwarz-gelb lackierte Taxis ein – ich spüre ihre dezent-neugierigen Blicke im Rücken. Es riecht nach Benzin und Geschirrspülmittel. An einer Ecke ein Häuschen, blau-weiß gestrichen. „Restaurant Maman Louise“. Die auf der Blechwand aufgemalten Gerichte kenne ich nicht. Ich trete ein.
Der Raum ist klein und dunkel. Im hinteren Bereich Frauen, die in großen Töpfen rühren. Eine weist auf einen Tisch unter einem der großen Deckenventilatoren, bringt mir einen Teller mit Reis, etwas Fisch, ein wenig Gemüse. Thieboudienne, Senegals Nationalgericht. Es schmeckt köstlich. Vom Wasser wage ich nicht zu trinken. Meine 1.000 CFA-Note wird zurückgewiesen. Die resoluteste der Frauen, ich vermute Maman Louise, holt eine 500 CFA-Münze aus meiner Börse. „Au revoir!“
Vergnügt komme ich am nächsten Tag wieder zu „Maman Louise“. Werde wieder fürsorglich unter einen Ventilator platziert, am Tisch ein bereits schmausender Taxifahrer. Die 500-CFA-Münze, die ich nach dem Essen auf das Plastiktischtuch lege, wird kopfschüttelnd abgelehnt. Ich lege eine zweite 500 CFA-Münze dazu. Madame gibt mir 300 CFA zurück. Ich wundere mich über die rasante Inflation, Madame über meinen erstaunten Blick. Sie winkt eine junge Frau in einem eleganten Boubou an meinen Tisch. „Bonjour Madame, how are you?“ Was für eine Erleichterung! Die Dame spricht Englisch! Und erklärt mir, dass ein Mittagsgericht 600 CFA kostet. Gestern hätte Maman Louise kein Wechselgeld gehabt und sich deshalb mit meinen 500 CFA zufriedengegeben. Und heute die Gelegenheit ergriffen, das „gestundete“ Geld zurückzubekommen. „Thank you very much for your explanation!“, sage ich. Und frage mich: Wie hatte Maman Louise wissen können, dass die schüchterne Weiße, die "Toubab", am nächsten Tag wiederkommen würde?
© MaschataDiop 2021-01-25
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