Vorbereitung auf die Therapie
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Mein Sohn Sebastian hat seit 2004, nach einer FSME-Impfung, Thrombozytopenie. Seine Erkrankung verschlechterte sich 2021 und die neue Diagnose lautet nun: aplastische Anämie. Alle 3 bis 4 Wochen braucht Sebastian eine Bluttransfusion, um überleben zu können.
Am 22.06.2022 hatte Sebastian in der Kieferchirurgie des KH St.Pölten einen Termin, um Entzündungsherde im Mundbereich zu lokalisieren und zu behandeln. Sebastian hatte sich entschieden, nachdem die Knochenmarktransplantation wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde, dass er eine immunsupressive Therapie machen wollte. Dazu sollte sein Körper in einem möglichst entzündungsfreiem Zustand sein. Die chirurgischen Eingriffe verliefen unspektakulär, man hatte ihm ausreichend Blutkonserven zur Verfügung gestellt. Immer wieder wird den ÄrztInnen klar, was für ein Wunder sie mit Sebastian entdecken dürfen. Trotz der Eingriffe und trotz seines extrem schlechten Blutbildes hat Sebastians Körper alles gut aufgearbeitet. Damit war nun der Weg frei zur Therapie.
Hier aus Wikipedia: Antithymozytenglobulin (ATG) ist ein immunsuppressiv wirkendes Gemisch polyklonaler Antikörper. ATG wird aus dem Blut von Pferden (h-ATG) oder Kaninchen (r-ATG) gewonnen, nachdem diese gegen humane Thymozyten oder T-Lymphozyten immunisiert wurden.
Sebastian erhielt eine Therapie mit Antikörpern von Pferden. Am 11.07.2022 war es so weit. Sebastian checkte im KH St. Pölten ein. Zuvor hatte er noch eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung bei unserem Rechtsanwalt unseres Vertrauens machen lassen und seine Brüder (Emil und Daniel) als Bevollmächtigte eingesetzt. Und das mit 24 Jahren. Er hat sich Gedanken gemacht, was er nach der Therapie alles ändern möchte, wo seine Schwächen und seine Stärken liegen und was für Ziele er hat. Reflektiert und bewusst hat er sich vorbereitet.
Wir hatten Sebastian am Eingang des Spitals abgeliefert. Weiter konnte ich nicht mit - dieser Weg lag nun alleine vor ihm. Am ersten Tag hatte Sebastian alle nötigen Gespräche mit den Ärzten und Untersuchungen. Sie wollten noch zur Sicherheit Blutkonserven bereitstellen, deshalb wurde die Therapie für den nächsten Tag angesetzt. Am nächsten Tag waren zwar die Konserven da, aber die Infusionen für die Therapie noch nicht. Diese Warterei zerrte an den Nerven. … OHM … durchatmen. Am Mittwoch, 13.07. war es endlich soweit - Sebastian bekam seine erste Infusion mit Pferdestammzellen. Nun hieß es warten, wie gut er es verträgt … zwischen ‘alles bestens’ und Intensivstation ist da alles möglich. Sebastian wollte mich/uns nicht zu sehr beunruhigen - deshalb hat er uns auch nicht alles erzählt und gebeten, ihn nicht telefonisch erreichen zu wollen.
Ich erlebte das alles ein bisschen wie in Trance. Wankend zwischen Hoffnung, Zuversicht und blanker Angst um das Leben des eigenen Kindes.
'Zwischen unserer Vorstellung vom Leben und dem Leben an sich liegt der Hauch der Ewigkeit.’
© Michaela Schmitz 2022-09-17
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