Der Mann, der vom Himmel fiel
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Man nehme frappierende, unterschiedliche Augenfarben als Resultat einer Verletzung, vermenge dies mit einer androgynen Aura, reichlich in den Adern pulsierender Musikalität, gepaart mit einer markanten, sonoren Stimme. Abschließend würze man dieses explosive Gemisch mit einer ordentlichen Prise Charisma, noch einmal kräftig mit den Drumsticks umrühren, auf play drücken – und im Nu schwingst du deine Hüften zu Ohrwürmern wie Heroes oder Space Auditiy.
Als Ziggy Stardust schlüpfte er in eine vollkommen neue Identität, kreierte eine Kunstfigur, setzte sich mit grellem Make-up und glitzernden Outfits in Szene und landete tatsächlich im Kinofilm als „Der Mann, der vom Himmel fiel“ als Alien auf der Erde.
Wir sind in Wien, im nüchternen Ambiente der Stadthalle. Die mir damals noch unbekannte amerikanische Vorgruppe Dandy Warhols hat gerade ihre Performance mit ihrem ersten, rockigen Hit Bohemian Like You beendet. Die Bühne, die, im Unterschied zu anderen Konzerten, in der Mitte der Halle aufgebaut wurde, betritt ein großer, schlanker Mann im auffälligen, dottergelben Anzug. Tosender Applaus brandet durch die riesige Halle, Bowie schnappt sich das Mikrofon und fängt sein Publikum mühelos mit den Tönen seiner nicht nur musikaffinen Insidern bekannten Eigenkompositionen ein.
Das musikalische Lasso seiner legendären Gassenhauer schlingt sich um unsere Ohren und schon sind wir mittendrin in der Reality Tour. Im Takt mit unseren Sitznachbarn grooven wir zu den Klängen zu Rebel, Rebel, Ashes to Ashes,, Changes, China Girl, oder Under Pressure. Des Künstlers Präsenz und seine einnehmende Ausstrahlung faszinieren gleichwohl Jung und Alt, und als er in unsere Richtung blickt und uns auch noch lächelnd zuwinkt, hält uns nichts mehr auf unseren Kunststoffstühlen.
Zu Let's Dance schwingen die feschen Tänzerinnen ihre discoerprobten Beine und der Sänger stellt unter Beweis, dass er auch imstande ist, eine flotte Sohle aufs Parkett zu legen. Nach Bowies letzter Zugabe Ziggy Stardust werden wir nach einer unvergesslichen Performance in die kühle Herbstnacht entlassen.
Wieder heimgekehrt dreht sich Putting out fire auf dem kreisenden Plattenteller und weckt Erinnerungen an den unheimlichen Fantasy-Thriller CAT PEOPLE mit der talentierten Nastassja Kinski, die sich in Folge erotischer Abenteuer in einen schwarzen Panther verwandeln kann.
Heute Abend lege ich Bowies letztes Album BLACK STAR, das an seinem 69. Geburtstag, zwei Tage vor seinem Tod aufgrund schwerer Krankheit, veröffentlicht worden war, in den CD-Player. Der melancholische Song “Lazarus” soll wohl Bowies Hoffnung auf Auferstehung versinnbildlichen:
LOOK UP HERE, I'M IN HEAVEN,
I'VE GOT SCARS THAT CAN'T BE SEEN
I'VE GOT DRAMA, CAN'T BE STOLEN
EVERYBODY KNOWS ME NOW.
Danke, David Bowie, für all die musikerfüllten Jahre, in denen du mein Heranwachsen und mein Dasein in dieser Welt bereichert hast.
Dank an David Preston fürs tolle Foto!
© Silvia Peiker 2021-12-07
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