Edinburgh, my love
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Athen des Nordens. Bereits im Landeanflug verzaubert die schottische Hauptstadt mit ihrer historisch geprägten Silhouette, die, sanft eingebettet zwischen grünen Hügeln und rauer Nordsee darauf wartet, erkundet zu werden.
Als mein staunender Blick auf Edinburgh Castle fällt, dessen Türme sich wie ein Fels in der Brandung über den geschichtsträchtigen Kern der Stadt erheben, hat mich das einzigartige schottische Flair im Handumdrehen in seinen Bann gezogen. Diese unvergessliche Begegnung mit unbändiger, dudelsackpfeifender Lebensfreude und schwebender Möwen in der salzigen Brise, über einem von Gischt und Wellen bewegtem Meer, wandelte sich zu etwas Beständigem, Schönen, das ich nicht mehr missen möchte. Schon Robert Louis Stevenson, einer meiner Lieblingsschriftsteller, bezeichnete seine Geburtsstadt als Traum von Mauerwerk und lebendigem Fels.
Das erste Mal besuchte ich Edinburgh Anfang Juni. Auf den Spuren von Mary Queen of Scots erklomm ich den Castle Rock, wo in den Gemächern des Palastes, der auf einem erloschenen Vulkan ruht, die stets von Feinden umgebene Königin dem Thronfolger, James VI., das Leben schenkte. Hoch oben, zwischen den Zinnen der Festung hinunterspähend, versunken in das malerische Bild der rauen, blauen See, schreckte mich der laute Knall einer Kanone aus meinen Träumen hoch, die pünktlich um 13 Uhr, von Männern in knielangem Kilt, beinahe täglich über der blauen Bucht abgefeuert wird. Zwar keine Salutschüsse wie bei der Geburt eines Prinzen, aber nicht weniger eindrucksvoll, und ich sah der weißen Rauchsäule nach, die sich wie ein Geist im wolkenverhangenen Himmel verlor.
Im Inneren der Burg, dessen Gebäude ab dem 12. Jahrhundert entweder als Festung, königlicher Palast, Staatsgefängnis oder Militärstützpunkt Verwendung fanden, bestaunte ich die kunstvoll gefertigten Kronjuwelen. Die ältesten Krönungsinsignien der britischen Insel mussten etliche Male vor den englischen Invasoren versteckt werden. Ein verschmitztes Schmunzeln umspielte die Lippen des Guides, als er seine Anekdote zu Ende erzählte:
„Während des 2. Weltkriegs hatten wir bloody Scots vergessen, wo wir unseren kostbaren Schatz im Castle verborgen hatten. Und nur einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass die kostbare Krone, das goldene Schwert und Zepter, die jahrelang im bestgehüteten Versteck des Landes dornröschengleich geschlummert hatten, in einer geheimen Nische hinter einer Küchenkredenz entdeckt wurden.“
Wilde Geschichten ranken sich auch um den Stein von Scone, der nichts mit den köstlichen Scones gemein hat, die fixer Bestandteil beim Cream Tea sind. Der aus rotem Sandstein grob gehauene, heiß umkämpfte Krönungsstein war schon den Pikten heilig. Traditionell wird dieser steinerne Thron für Krönungen von Edinburgh Castle nach Westminster Abbey in London transportiert. Ich frage mich, ob dann Prinz Charles darauf sitzen und zum nächsten König gekrönt werden wird?
© Silvia Peiker 2021-01-03
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