Lass dich nicht unterkriegen
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Im Rahmen meines Studiums sollte ich eine Rede ausarbeiten. Da mich Astrid Lindgrens Geschichten seit meiner Kindheit begleiten, ersann ich ein Plädoyer (mit Augenzwinkern) für:
Pippi Langstrumpf, die in einer kleinen Stadt in Schweden zu Hause ist, kann man wohl ein Übermaß an Fantasie und Freiheitsdrang nachsagen. Vorwerfen kann man dem mutigenMädchen allerdings nicht, dass sie über Superkräfte verfügt und das Herz am rechten Fleck hat. Pippis Abenteuer sind fiktive Geschichten ihrer geistigen Schöpferin Astrid Lindgren. Diese werden laut Anklage mit einer Reihe von Vorwürfen konfrontiert, die den Eindruck erwecken, als würde das Kind hinter Schloss und Riegel gehören!
Meiner Mandantin werden folgende Punkte zur Last gelegt:
Wohnen ohne elterliche Aufsicht
Unerlaubtes Fernbleiben vom Schulunterricht
Verführung der Jugend zu Unfug und Schabernack
Warum man eine neunjährige Halbwaise dieser Taten bezichtigt, mag wohl so manchen verwundern. Denn Pippi ist aufgrund des frühen Todes der Mutter gezwungen gewesen, selbständig zu werden, besonders, da ihr Vater als Kapitän eines eigenen Schiffes berufsbedingt oft auf hoher See unterwegs ist. Diese Tätigkeit hält ihn jedoch nicht davon ab, seinen Erziehungspflichten nachzukommen, sei es in der Villa Kunterbunt oder auf den gemeinsamen Reisen ins Taka-Tuka-Land. Zu Pippis Gunsten spricht, dass sie an ein autonomes Leben gewöhnt und deshalb in der Lage ist, nicht nur sich selbst zu versorgen, sondern auch ihre anspruchsvollen Haustiere, einen Apfelschimmel und ein Totenkopfäffchen.
Die Beschuldigte hat sehr wohl die Schule besucht, sie kommt aber aufgrund ihres ausgeprägten Hangs zum Individualismus mit dem rigorosen System des Frontalunterrichts nur sehr schwer zurecht. Zugunsten meiner Mandantin möchte ich den Artikel 13 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes anführen, der Kindern das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährt. Mit Pippis stark ausgeprägtem Selbstbewusstsein kommen Erwachsene, vor allem Lehrpersonen, einfach nicht zurecht.
Man kann nicht leugnen, dass das Kind häufig in einer Fantasiewelt lebt. Deshalb muss man die abenteuerlichen Reisen, die Pippi mit den Nachbarskindern Tommy und Annika sowie ihrem Vater unternimmt, ihre lustigen Feste im Garten der Villa Kunterbunt sowie ihre übermütigen Streiche wohl als ein Produkt ihrer Naivität und Kreativität bezeichnen, jedoch nicht als Unfug oder Schabernack! Artikel 31 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes unterstützt meine Mandantin auch in diesem Anklagepunkt, denn er garantiert Kindern das Recht auf Freizeit, spielerische und kulturelle Aktivitäten.
Diese Grundrechte, die auf den Statuten der Vereinten Nationen beruhen, ermöglichten es Pippis Erfinderin, in ihren Erzählungen zu zeigen, wie ein Kind mithilfe von Fantasie und Freiheitsdenken in der Lage ist, sein Leben selbständig zu meistern und Generationen von Lesern zu begeistern!
© Silvia Peiker 2020-11-24
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