Schneeengel zu Ostern
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Der Reinhofer Hütte in St. Gertraud buchen wir zum ersten Mal in der Karwoche. Es sieht so aus, als ob der Himmel seinen letzten Vorrat an letzten Schneereserven mobilisiert hat, sodass unser Kombi die letzte starke Steigung der Schotterstraße nur mithilfe der ausgeborgten Schneeketten des Bauern bewältigen kann.
Umgeben von Almen und dunklen Fichtenwäldern hält die rustikale Berghütte, auf einer einsamen Waldlichtung auf 1300Höhenmetern gelegen, schon mehrere Jahrhunderte lang Wind und Wetter stand. Dieses Mal muss der Osterhase seine Eier in der behaglichen, mit Holz beheizten Wohnstube verstecken, da die Schneewechten so hoch sind, dass sie darin einfach bis zur nächsten Warmluftfront verschwinden würden. So breiten wir im Freien unsere Arme aus und drücken mit unseren dick vermummten Körpern Schneeengel in die weiße Pracht, rollen dicke Schneekugeln für einen riesigen Schneemann und bauen ein behagliches Iglu.
Herrlich, diese frische, klare Luft und diese andächtige Stille, die lediglich vom Säuseln des recht kühlen Windes durchbrochen wird, der durch die hohen Wipfel der dicht gewachsenen Baumriesen streift und deren mächtige Stämme zum Knarren bringt. Besonders schön ist es, am Abend durch die kleinen Fenster auf die schneebedeckten Wiesen zu gucken, die im fahlen Schein des Mondes weiß glänzen.
Am Morgen ist es spannend, wer zuerst die vielen neuen Spuren, die die weiße Pracht wie eine Landkarte durchziehen, entdeckt hat. Aufmerksam betrachten wir die herzförmigen Trittsiegel, die die Hufe der Rehe in die Schneedecke gestempelt haben, das zarte Muster der Eichhörnchen, das dem Hoppeln der Hasen ähnelt oder die staksigen Tritte der Fasane, die wie dreiarmige Seesterne aussehen. Eifrig blättern unsere drei in einem Bilderbuch, in dem die gängigsten Tierfährten mit anschaulichen Bildern erklärt werden.
In der nahen Weinebene locken noch tief verschneite Pisten und unsere älteren beiden üben Pflugfahren, während ich mit unserer Zweijährigen mit der Rodel den Hang hinuntersause.
Am Karsamstag sind wir zur Osterjause auf dem hoch gelegenen Bauernhof unseres Wirten in Frantschach eingeladen. Dort erwarten uns ein süßer Reindling und eine zünftige Bretteljause mit Speck, bunten Ostereiern sowie selbstgebackenem, noch warmem Kärntner Brot, das die Bäuerin erst aus dem Ofen gezogen hat.
Natürlich stecken wir neugierig unsere Nasen bei den Milchkühen im Stall rein und halten respektvollen Abstand zu den angebundenen Stieren. Über eine Holzleiter klettern wir auf den Heuboden über dem Kuhstall, wo wir die Hofkatzen, die im weichen Heu dösen, streicheln und mit mitgebrachten Leckerlis füttern. Die Katzen dürfen zwar nicht ins Haus rein, stattdessen leben sie mit ihrem Nachwuchs auf dem Hof und können von der frisch gemolkenen Kuhmilch naschen.
Ostern in den Bergen, für uns Flachländer ein einzigartiges Erlebnis. Jetzt muss nur noch der Schneehase kommen!
Foto: www.huetten.com
© Silvia Peiker 2021-04-05
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