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Besitzgier

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Besitzgier | story.one

Ich bin in Oberösterreich geboren worden, hatte aber schon seit meiner Kindheit, unter anderem auch wegen meiner Verwandten dort, immer einen starken Bezug zu Niederösterreich.

Speziell im Laufe der letzten Jahre kristallisierte sich konkret das Waldviertel zu meiner Lieblingsgegend, die ich gerne mal an einem Wochenende besuchte, um dort etwas wandern zu gehen und natürlich fleißig zu fotografieren.

Ich pflege zu sagen, dass es eine der seltenen Plätze Österreichs ist, wo man auf noch mehr Natur als Menschen trifft.

Nachdem ich eben genau in jener Region ein Wohlgefühl verspüre, suche ich schon mehrere Jahre lang nach einem für mich leistbaren Haus, um mich dort endgültig niederzulassen. Durch die stetige Zunahme an Lärm und Gestank in der Stadt hat sich dadurch, in den letzten Monaten der Wunsch noch mehr verdeutlich und mein Suchen intensiviert.

Als ich wieder einmal ein Objekt in Ausschau hatte, war es, wie nicht schon einmal zuvor, dass die Immobilie deutlich teurer als für die Gegend üblich veräußert wurde, da der Erwerber mehr finanzielle Mittel als ich zur Verfügung hatte als auch bezahlte. Und erneut stellte sich heraus, dass es sich bei der Anschaffung nicht um einen Hauptwohnsitz oder Zweitwohnsitz handelte, sondern um einen Dritt-, Viert- oder gar Fünftwohnsitz. Denn aufgrund der brachliegenden Zinsen des Kapitals auf dem Sparkonto ist es zum Sport einiger betuchter Privatpersonen geworden, all ihr Bargeld nun in Grund und Boden zu stecken. Dies lässt natürlich die Preise von Immobilien weiter steigen, denn bekanntlich macht ja der Markt den Preis.

Ein- bis zweimal jährlich fährt man dann auf Sommerfrische in eine der vielen Unterkünfte und hat eine der derzeit am besten gehandelten Geldanlagen für die Nachkommen geschafften.

Ich sagte zu einem der Verkäufer, dass man mit dieser Strategie die Dörfer schlussendlich umbringt, denn es ziehen sowieso immer mehr weg und wenn dann die Hauseigentümer sich nur zwei bis dreimal im Jahr blicken lassen, wird weder eine Gastwirtschaft noch ein Lebensmittelgeschäft davon leben können, von Kunst und Kultur ganz zu schweigen.

Der Herr stimmte mir vollkommen zu, doch war die Gier aufseiten der Käufer und Verkäufer die gleiche – der eine möchte den Höchstpreis erzielen und der andere seine Gier nach Besitz befriedigen.

So hoffe ich täglich, dass sich diese Strategie wieder ändert und es auch nicht vermögenden Menschen möglich wird, sich einen Lebenstraum zu ermöglichen.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

© Sylvia Eugenie Huber 2020-11-01

waldviertel

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