Eine glatte Zehn!
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Auf einer Skala von 0 bis 10 – definitiv eine 10.
Es war im August 2005, dem ersten Tag meines Urlaubs. Um die 14 Tage entspannt zu verbringen, entschloss ich gleich zu Beginn meine Wohnung zu reinigen inklusive Fensterputzen und Vorhängewaschen. Meine damalige Unterkunft hatte die Vorhangschienen in der Decke integriert, weshalb man die Ösen manuell einfädeln musste.
Ich stand auf der obersten Stufe der Leiter und schob eine Öse nach der anderen in die Schiene. Mein von Natur aus niedriger Blutdruck in Kombination mit der Hitze des August und ständigem Bücken löste jedoch einen derart starken Schwindel bei mir aus, so dass ich die Balance verlor und mich wie in Zeitlupe hinunterfallen sah. Der Versuch mich noch am Vorhang festzuhalten scheiterte leider. Mit einem gewaltigen Aufprall direkt auf meinen Hinterkopf und mein Becken fand ich mich benebelt am Boden wieder und wurde gezwungen, so eine Weile zu verbleiben.
In meinem Kopf drehte sich alles und ich dachte mir noch, was für ein Glück, dass ich auf den Teppich und nicht auf dem blanken Parkett gelandet war. Doch der Versuch mich aufzurichten belehrte mich eines Besseren. Ein unsagbarer Schmerz fuhr ich mich ein, als würde jemand ein Messer in meinen Steiß stoßen und jenes noch umdrehen. Ich zuckte schlagartig zusammen und die Tränen begannen sofort zu kullern. Mein Gott, dachte ich mir, was für eine furchtbare Höllenqual!
Alle weiteren Bemühungen mich zu erheben, ließen mich erneut die unvorstellbare Pein erfahren, wodurch ich weitere 2 Stunden am Boden verharrte. Die einsetzende Finsternis führte schlussendlich dazu, dass ich mich aufraffte und in klitzekleinen Bewegungen zum Bett robbte und mich samt Kleidung hineinlegte.
Jener Vorgang hierfür brauchte über 1 Stunde, denn jeder Zentimeter zu hastig genommen, ließ unerbittlich den stechenden Schmerz in meinen Rücken ausstrahlen.
Als ich am nächsten Morgen durch eine zu ruckartige Bewegung abrupt und äußert schmerzvoll geweckt werde, musste ich mich sofort der nächsten Qual stellen – den Weg zur Toilette. Noch nie in meinem Leben hatte ich solche starken Schmerzen, speziell das Hinsetzen war schier unerträglich. Auch hierfür benötigte ich fast eine Stunde. Um jenes Leid etwas einzugrenzen beschloss ich nichts mehr zu trinken, außer ein paar kleinen Schlucken über den Tag verteilt.
Die nächsten Tage verbrachte ich weinend vor Schmerz im Bett und betete um Gnade.
Nach einer Woche gab es die erste minimale Verbesserung, wobei ich selbst nach 3 Monaten nach 2 Stunden Sitzen immer noch mein Steißbein spürte. Radfahren ist seitdem gar nicht mehr möglich, trotz unterschiedlichster Therapien.
Aber es gibt auch etwas Gutes. Einer meiner Ärzte erzählte mir von einem Patienten, dessen gebrochenes Steißbein nie abheilte und daher auch Selbstmord begann. So gesehen, bin ich noch glimpflich davon gekommen mit meinem Steißbeinbruch, der auf einer Schmerzskala von 0 bis 10 ist eine glatte Zehn war.
Bild von 41330 Pixabay
© Sylvia Eugenie Huber 2020-06-05
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