Ich bin neidisch
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Heute Morgen wurde ich wiederum durch Regen geweckt, doch aufgrund meiner Erfahrung von gestern wusste ich ja, dass irgendwo sicher die Sonne scheint. Relaxed nahm ich daher mein Frühstück ein und beschloss wieder in die Gegend rund um Alojera zu fahren, denn im Westen ist es ja bekanntlich am besten.
Ich gab Taguluche in mein Navigationssystem ein, jener Ort läge an der Küste und es gäbe dort zusätzlich einen kurzen Wanderweg. Erneut fuhr ich durch dichte Nebelschwaden bei niedrigen Temperaturen, doch nach 50 Minuten Fahrtzeit schein es, als würde jemand einen Vorhang zur Seite schieben und der Sonne mit dem azur-blauen Himmel ihren Bühnenauftritt gestatten.
Ich konnte so meine Wanderung zum Meer vornehmen und mich dort dem Rauschen der mächtigen Wellen hingeben. Als ich mich auf dem Weg Richtung Auto machte, beschloss ich noch einen Cortado in einem Restaurant einzunehmen. Ein Herr mit Wanderausrüstung und Stecken nahm unweit von mir ebenfalls einen Kaffee zu sich und im Gespräch vernahm ich, dass er bereits seit 3 Wochen zum Wandern hier sei und noch weitere 2 Wochen bliebe, bevor er nach Deutschland zurückkehre.
„Darf ich fragen, was Sie beruflich machen, es wäre nämlich ebenfalls mein Traum, länger im Winter zu verreisen.“
Er verriet mir, dass er als Psychologe selbständig sei und sich die Zeit so einteilte, dass er um die Weihnachtszeit 5 Wochen am Stück in der Wärme verbringen könnte. Wow!
Kurz darauf stieß ein weiterer Herr auf die Terrasse und von ihm erfuhr ich, dass er ebenfalls schon einige Wochen hier sei und wahrscheinlich erst im Februar zurück nach Deutschland kehre.
Neugierig, welcher Tätigkeit denn er nachginge, stellte sich heraus, dass er Hochschullehrer ist, zum Teil momentan Ferien wären, er aber aufgrund von Corona sowieso alles online machen müsste und deswegen entschied, dies zumindest in einer netten Location zu tun. Ja, das kann ich allzu gut nachvollziehen!
Ich gebe zu, ich war neidisch. Richtig neidisch sogar. Wie gerne würde ich die kalte, grausliche Jahreszeit verkürzen und in einem warmen Land verbringen. Egal ob auf den Kanaren oder irgendwo anders, Hauptsache ordentlich warm und ganz viele Sonnenstunden. Ich durfte heute zwei Männer kennenlernen, die einen langjähriger Traum von mir leben.
Ich hoffe inständig, dass auch ich einmal nicht mehr nur davon träumen muss, sondern dies auch leben darf.
© Sylvia Eugenie Huber 2020-12-27
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