Spacig in Amsterdam
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Obwohl in den jüngeren Jahren platinblond und mit High Heels bewaffnet, hatte ich bezüglich illegaler Rauschmittel nichts zu erzählen. Viele konnten dies kaum glauben und verarschten mich deswegen sogar. Ich nahm zwar unter Anleitung eines Schamanen zweimal Ayahuasca, aber da es sich um ein spirituelles Zeremoniell handelte, würde ich dies nicht als klassische Drogenerfahrung titulieren.
2017 hatte ich daher beschlossen, dieses Erfahrungsdefizit ein für alle Mal zu beheben. Als äußerst korrekter, wenn nicht in dieser Hinsicht sogar langweiliger Mensch, wollte ich dies offiziell machen und plante so eine Reise nach Holland, wo der Konsum von Marihuana gesetzlich erlaubt ist.
Ich feierte noch meinen 42-igsten Geburtstag in meinem Lieblingsrestaurant, bevor ich am nächsten Morgen für ein Wochenende nach Amsterdam abhob. Dort angekommen, machten wir zuerst eine Grachten-Fahrt auf den Kanälen der niederländischen Metropole. Das sonnige Endmärz-Wetter lud uns danach in den „Vondelpark“, wo wir einen Kaffee in der chilligen Atmosphäre einnahmen. Als die Sonne bereits etwas tiefer stand, gingen wir noch zu Madame Tussauds. Nach einem Abendessen holte ich mir in einem Coffeeshop ein Stück Kuchen mit passenden Namen „Sweet Sins“ auf dem vermerkt war, dass er Cannabis enthielt und von Kindern ferngehalten werden sollte. Als ich den Nachtisch verspeist hatte, fuhren wir ins Hotel, wo ich neugierig auf die Wirkung wartete. Doch es passierte genau gar nichts. Und ich war angefressen.
Am nächsten Tag besuchten wir das Schifffahrtsmuseum „Het Scheepvaartmuseum“, wo gleich daneben ein Schiffsnachbau der niederländischen Ostindien-Kompanie lag, in dem man Einblicke in das Leben an Board bekam. Das im bekannten Red Light District befindliche „Red Light Secrets, Museum of Prostitution“ stand danach am Programm und gewährte interessante Einblicke in die Geschichte der Prostitution als auch zeigte es bekannte Persönlichkeiten, die dem angeblich ältesten Gewerbe der Welt zumindest einmal verfallen waren.
Nachdem am Vortrag keinerlei Wirkung des Spacecookies wahrzunehmen war, suchte ich erneut einen Coffeeshop auf. Ein 2 Meter großer und 100 kg schwerer Türsteher musste sich von mir wütend anhören, dass ich extra nach Amsterdam geflogen bin, um legal Cannabis zu nehmen, zuvor nie Drogen konsumierte und angefressen sei, dass ich null Wirkung verspürte. Er beruhigte mich und meinte, dass meine THC-Rezeptoren noch getriggert sein sollten und ein weiterer Kuchen nun gute Chancen hätte. Zusätzlich riet er mir, ein Endstück zu kaufen, da jenes eine höhere Konzentration aufwiese. Und in der Tat, der zweite Versuch klappte und ich durfte bei der Rückfahrt in Hotel mehrfach in lautes Gelächter ausbrechen, sodass es mir sogar peinlich war. Nach etwa 3 Stunden war der Spuk wieder vorbei.
„Fuck apples, enjoy cocaine“, stand auf einem T-Shirt eines koksenden Schneewittchens, doch mir reichte mein Erlebnis völlig aus.
© Sylvia Eugenie Huber 2021-02-08
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