Wie Spaltung entsteht
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Ich musste, um eine Urlaubsreise antreten zu können, einen PCR-Test in einem Labor durchführen lassen. Ein negatives Ergebnis würde mir die Möglichkeit einräumen, den grauen Alltag zumindest kurzzeitig zu entfliehen. Wenn man völlig allein lebt, auch kein Haustier hat und zusätzlich von den Freunden distanziert wird, speziell in einer düsteren Jahreszeit, wo es spät hell und bald wieder finster wird, dann sinkt die Lebensfreude so wie die Temperatur im Winter auf dem Thermometer gegen den Nullpunkt.
Die Zeit vor der Testung war eine absolut furchtbare – permanente Angst, was wäre, wenn das Ergebnis positiv ausfiele. Daher war ich stets nur mit FFP2-Maske bewaffnet, hielt immer gleich 2 Babyelefanten Abstand – lieber auf Nummer sicher gehen – zwischen mir und den anderen Menschen, denen ich auf der Post oder beim Billa begegnete – die noch einzigen Kontakte zur Menschheit.
An allen Ecken lauert die Gefahr, jemand könnte mich anstecken und meinen dringenden Ausbruch aus der Tristesse somit verhindern. Ich sehe Leute, die ihre Maske unter der Nase tragen, andere gleich komplett unter dem Kinn, eine Angestellte mit FFP2-Schutz zieht jenen regelmäßig komplett vom Gesicht weg, um besser atmen zu können. In mir steigt immense Wut auf. Warum können sie die blöde Maske nicht einfach normal tragen?
Ich bin gesund, ernähre mich bewusst und mache regelmäßig Sport. Ich habe keine Angst vor der Erkrankung, selbst wenn ich persönlich ein paar schwere Fälle kenne, in meinem Alter und sogar darunter, die bis zu 4 Wochen dranhängten. Sie hätten zuvor das Virus nicht als Bedrohung gesehen, da sie ja keiner Risikogruppe angehörten, wurden aber eines Besseren belehrt.
2018 hatte ich zuletzt eine schwerere Grippe, die mich ganze 14 Tage in Schach hielt. War damals ebenfalls nicht lustig, dennoch habe ich Grippeimpfungen für mich nie in Erwägung gezogen. Nun merke ich aber, dass ich Menschen per se als Bedrohung erlebe, die mir meine, bereits stark reduzierte Freiheit eventuell weiter strittig machen könnten.
Ich erlebe die Spaltung der Gesellschaft am eigenen Leib. Das macht mir unglaublich Angst. Wie weit ist es gekommen, dass man sich von anderen differenziert, von anderen unterscheidet als auch abhebt. Einerseits der brave gehorsame Bürger versus denjenigen, der nicht versteht oder absichtlich dagegen vorgeht, ob nun begründet oder nicht. Das ist neben der Erkrankung das Schlimmste, das Corona hervorgebracht hat. Ich wünsche mir von Herzen, dass die Menschen wieder zueinander finden.
© Sylvia Eugenie Huber 2020-12-24
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