Kleider machen Leute … ?
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Klaus war ein fescher Typ! Dynamisch. Erfolgreich. Anpackend. Bodenständig. Man sah ihm seinen Reichtum gar nicht an, - und das war ihm auch ganz recht. Die meisten aus der Szene kannten ihn eh. Er war einfach ein ganz normaler Typ. Lies sich sein Geld nicht raushängen. Hatte es auch gar nicht nötig. So sauste er auch gern mit seinem alten Radl durch die Innenstadt - war einfach praktischer! Klaus war sehr sportlich, jung geblieben. Ging teilweise fast noch als Student durch- ok, eher als Langzeit Student. Aber das gefiel ihm! Klassisches Understatement. Einfach ganz entspannt.
Klaus hatte aber auch ein Faible für sehr schnelle und sehr teure Autos.
Eines schönen Tages, unser Klaus war gerade auf dem Heimweg vom Geschäft: Ach, lass doch kurz mal im Showroom von Mercedes in der Innenstadt vorbeifahren und schauen, ob der neue Mercedes XYZ schon da ist. Der könnte ihm schon gefallen! War mal wieder Zeit für einen neuen Boliden!
Und so radelte Klaus zum Odeonsplatz, in seinen schon etwas verschwitzten Arbeitsklamotten. Er hatte heute im Lager mitgeholfen, weil so viele seiner Mitarbeiter krank waren. Er war sich halt für nichts zu schade. Flugs vor dem riesigen Schaufenster angehalten und das Radl an die Glasfront gelehnt. Ah, da sah er schon das Objekt seiner Begierde! Strahlend betrat Klaus den Laden und steuerte zielgerichtet auf den hochpreisigen Sportwagen zu. Setzte sich rein. Begutachtete alles intensiv bei diesem Auto, dessen Verkaufspreis im obersten Preissegment lag. Schönes Leder, saubere Verarbeitung - so wie man es von den Stuttgartern gewohnt war! Eine kleine Probefahrt wäre jetzt fein. Wo war denn sein Stammverkäufer? Hm, heute wohl nicht da. Aber da stand ja ein junger Mann in Anzug und Krawatte - das musste ein Neuer sein. Den hatte Klaus hier noch nie gesehen.
Der junge Mann - nennen wir ihn Dieter - hatte Klaus schon eine Zeitlang beobachtet und was er sah, gefiel ihm gar nicht. Was bildete sich der Penner eigentlich ein! Da musste er einschreiten!
Und so nahm das Unheil für Dieter seinen Lauf, denn er beging die Todsünde jedes Autoverkäufers: den Interessenten nach dem Äußeren zu beurteilen.
Rasch hatte sich Dieter vor Klaus aufgebaut. Mit arrogantem Gesichtsausdruck ignorierte er Klaus` Frage nach der Probefahrt. Er plusterte sich vielmehr vor ihm auf und forderte Klaus auf, sofort den Wagen zu verlassen. Wie könne er es wagen sich mit seinen verschwitzten Klamotten einfach in dieses Fahrzeug zu setzen! Er bräuchte hier gar nicht mehr reinkommen und überhaupt, er solle jetzt sofort sein schwindliges Radl vom Fenster entfernen und verschwinden!
Überrascht, aber innerlich lächelnd zog Klaus von dannen.
Einige Tage später klingelte beim Leiter des Showrooms das Telefon: Servus Beppi, da ist der Klaus. Du, ich wollt dir bloß sagen, dass mir letztens dein neuer Verkäufer den neuen XYZ nicht verkaufen wollte. Na ja, jetzt hab ich mir halt den neuen Ferrari bestellt.
Dieter!! Minuten später war Dieter seinen Job los
© Ursula Jocham 2023-02-04
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